Kindererziehungszeiten, die in einem Mitgliedstaat der EU zurückgelegt worden sind, müssen im Heimatland berücksichtigt werden. Dies entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH). (EuGH Urteil vom 07.07.2022 – C-575/20)
Werden Kindererziehungszeiten im EU-Ausland bei der Rente im Heimatland nicht berücksichtigt, bedeutet dies einen Verstoß gegen das Recht auf Freizügigkeit.
Wie immer gibt es hierbei Einschränkungen, denn die Entscheidung gilt nicht für alle. Sie gilt nur für Personen, die sich im EU-Ausland ausschließlich der Kindererziehung widmen, keiner Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit nachgehen und somit keine Versicherungszeiten erwerben. In dem Heimatland müssen sie sowohl vor als auch nach der Verlegung ihres Wohnsitzes in einen anderen Mitgliedstaat gearbeitet und Beiträge entrichtet haben.
Fallbeispiel 1:
Frau K. lebte und arbeitete bisher in Deutschland. Noch bevor sie ihr erstes Kind im Jahr 1992 zur Welt brachte, verzog sie mit ihrem Mann im Jahr 1988 in die Niederlande, um dort zu arbeiten. In den ersten zwei Jahren nach der Geburt des Kindes widmete sie sich ausschließlich der Kindererziehung. Danach zogen sie im Januar 1995 wieder nach Deutschland zurück und Frau K. begann eine Beschäftigung, der sie bis zur Altersrente nachging.
Lösung: In dieser Fallkonstellation hat Frau K. zwar vor und nach dem Verzug in die Niederlande in Deutschland gearbeitet. Allerdings hat sie auch in den Niederlanden vor der Geburt des Kindes gearbeitet und somit nicht ausschließlich das Kind erzogen. Die Kindererziehungszeiten für die Zeit in den Niederlanden sind daher nicht in Deutschland zu berücksichtigen, sondern nur – wenn vorhanden – nach dem niederländischen Rentenrecht.
Fallbeispiel 2:
Eine in Deutschland lebende und arbeitende Frau M. verzieht im Jahr 1986 nach Belgien, bringt dort ihr erstes Kind zur Welt und widmet sich lediglich der Kindererziehung, während der Vater finanziell für die Familie sorgt. Im Jahr 1989 ist sie erneut schwanger und aufgrund der beruflichen Situation ihres Mannes, verziehen sie nach Österreich. Dort bringt sie ihr zweites Kind zur Welt und widmet sich weiterhin ausschließlich der Kindererziehung. Als die Familie im Mai 1991 wieder nach Deutschland zurückkehrte, begann die Frau M. im August wieder zu arbeiten. Dies tat sie bis zur Altersrente.
Lösung: Hier liegen alle Voraussetzungen dafür vor, dass die Rentenversicherung die zurückgelegten Kindererziehungszeiten in Belgien und Österreich bei der Feststellung der deutschen Altersrente berücksichtigen muss. Frau M. hat sowohl vor als auch nach Verlegung des Wohnsitzes ins EU-Ausland in Deutschland gearbeitet und im Ausland nur die Kinder erzogen.
Sollte bei Ihnen eine gleichgelagerte Situation vorliegen, empfehle ich, Widerspruch gegen die Ablehnung der Kindererziehungszeiten einzulegen. Bei der Durchsetzung bin ich Ihnen gern behilflich.